Research Group of Prof. Dr. M. Griebel
Institute for Numerical Simulation
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Nichtglatte Gebiete

 

Im letzten Abschnitt wurde vorausgesetzt, daß der Rand des Gebiets glatt ist, damit er von einem Diffeomorphismus auf ein Hyperebenenstück glattgebogen werden kann. Unter bestimmten Voraussetzungen lassen sich die Abschätzungen jedoch auch auf nichtglatte Gebiete verallgemeinern, und zwar mit Hilfe von Spiegelungstechniken. Gegeben sei folgende Situation:

Das Gebiet

equation4967

ist das cartesische Produkt eines endlichen Intervalls tex2html_wrap_inline11189 mit tex2html_wrap_inline11191 und eines beschränkten Gebiets tex2html_wrap_inline7781 mit tex2html_wrap_inline7859 -Rand. Offenbar ist tex2html_wrap_inline10575 ohne weiteres nicht glatt genug für die Abschätzungen des letzten Abschnitts, denn der Rand ist lediglich von der Güte tex2html_wrap_inline10529 . Auf tex2html_wrap_inline10685 ist eine Funktion u gegeben, die einer Differentialgleichung mit Randbedingungen der folgenden Art genügt:

   eqnarray4972

Auf tex2html_wrap_inline10575 wird dann eine tex2html_wrap_inline7831 -Abschätzung für u wie in den vorherigen Abschnitten benötigt. Da die Abschätzung des vorherigen Abschnitts nur für glatte Gebiete gilt, wird die Funktion u über den Rand von tex2html_wrap_inline10575 hinaus mittels einer Spiegelung fortgesetzt, in der Hoffnung, daß die gespiegelte Funktion auf dem erweiterten glatten Gebiet selbst glatt ist und einer glatten Differentialgleichung genügt. Dabei gibt es zwei grundlegende Möglichkeiten: a) Fortsetzung mittels einer ungeraden Spiegelung über den Dirichletrand tex2html_wrap_inline11215 hinaus, und b) Fortsetzung mittels einer geraden Spiegelung über den Neumannrand tex2html_wrap_inline11217 hinaus.

Die Technik a) kann freilich nur funktionieren, wenn u auf den Spiegelachsenrandstücken konstant ist, was in unserer Anwendung jedoch kein Problem ist: Entweder ist die Funktion dort konstant 0 oder 1, oder sie ist schon auf einem etwas größeren Gebietsstück gegeben, so daß sich eine Spiegelung ganz erübrigt. Für den linken Rand tex2html_wrap_inline11221 und u=0 dort hat die Spiegelung dann folgende Form:

equation4980

Die Spiegelung am rechten Rand mit u=1 erfolgt analog. Bei dieser ungeraden Spiegelung bleibt die Differentialgleichung erhalten, lediglich das Vorzeichen des Koeffizienten tex2html_wrap_inline11227 ändert sich. Dies führt zu einer Unstetigkeit in diesem Koeffizienten, die für die tex2html_wrap_inline7823 -Abschätzungen jedoch nicht von Bedeutung ist. Insofern erhält man mit dieser Methode tex2html_wrap_inline7831 -Abschätzungen, jedoch keine Schauderabschätzungen. Diese sind aber sowieso nicht zu erwarten, denn die ungerade Spiegelung ist lediglich eine tex2html_wrap_inline8107 -Fortsetzung, so daß die Funktion u über die Spiegelungskante hinweg i. allg. nicht zweimal stetig differenzierbar sein wird, zumindest solange tex2html_wrap_inline11237 dort nicht verschwindet.

Daher verwerfen wir die Technik a) und widmen uns der Möglichkeit b), nämlich der Spiegelung am (i. allg.) gebogenen Neumannrand. Der gebogene Rand muß zunächst auf ein Hyperflächenstück geradegebogen werden. Dazu genügt es, wenn wir die tex2html_wrap_inline7801 -Koordinate zunächst außen vor lassen.

Da das Gebiet tex2html_wrap_inline8189 einen tex2html_wrap_inline7859 -Rand besitzt, gibt es zu jedem Punkt tex2html_wrap_inline11245 eine Umgebung tex2html_wrap_inline11247 , eine offene Menge tex2html_wrap_inline11249 mit tex2html_wrap_inline11251 und einen tex2html_wrap_inline7859 -Diffeomorphismus

equation4990

Die Koordinaten aus V bezeichnen wir mit tex2html_wrap_inline11257 . Wir erweitern tex2html_wrap_inline11259 zu einer Funktion tex2html_wrap_inline11261 vermöge

  equation4994

figure5001

Nach eventueller Verkleinerung von U und V ist tex2html_wrap_inline8869 ein tex2html_wrap_inline7859 -Diffeomorphismus. Diese Konstruktion ist in der Differentialgeometrie unter dem Namen ,,Fermi-Koordinaten`` bekanntgif. Würde man stattdessen gleich von einer abstrakten Funktion tex2html_wrap_inline8869 ausgehen, die U diffeomorph nach V abbildet, so erhielten wir keine Orthogonalitätsbeziehungen, die jedoch unbedingt erforderlich sind, wie wir später sehen werden. Sei tex2html_wrap_inline11281 die Inverse von tex2html_wrap_inline8869 . Wir betrachten nun die Differentialgleichung unter der Transformation tex2html_wrap_inline8851 . Sei tex2html_wrap_inline11287 die transformierte Funktion. Dann gilt

  equation5010

Die Randbedingungen transformieren sich erwartungsgemäß:

  eqnarray5017

d.h. Normalenableitungen gehen wieder in Normalenableitungen über.

Wir untersuchen das Aussehen der Matrix tex2html_wrap_inline11289 , und zwar durch Betrachtung ihrer Inversen tex2html_wrap_inline11291 . Dies ist tatsächlich die Inverse, denn

equation5030

Weil tex2html_wrap_inline11293 tangentiell zu tex2html_wrap_inline10435 im Punkt tex2html_wrap_inline11273 für alle tex2html_wrap_inline11299 ist und tex2html_wrap_inline11301 senkrecht dazu liegt, gilt

equation5059

also

eqnarray5065

Da die Matrix symmetrisch ist, ergibt sich die Gestalt

equation5090

Damit hat auch ihre Inverse tex2html_wrap_inline11303 diese Gestalt. Dies erlaubt uns die Herleitung von tex2html_wrap_inline7823 -Abschätzungen:

  SATZ6158

BEWEIS. Dieser Satz wird ähnlich bewiesen wie Satz 5.6, unterschiedlich ist lediglich die Behandlung des Randes. In Satz 5.6 wurde zu jedem Punkt aus dem Inneren des Gebiets eine ganz im Inneren liegende Umgebung gefunden und dort eine innere lokale Abschätzung verwendet, ebenso wurde zu jedem Randpunkt das Gebiet lokal glattgebogen und mit einer Randabschätzung abgeschätzt. Ein Kompaktheitsargument lieferte dann die Abschätzung für das ganze Gebiet. Für diesen Satz dagegen wird folgendermaßen verfahren:

Für jeden inneren Punkt des Gebiets finden wir wie gehabt eine lokale Abschätzung, ebenso wird für jeden Punkt aus dem glatten Rand tex2html_wrap_inline11215 eine lokale Randabschätzung durchgeführt, was problemlos ist, wenn man die Umgebung so klein wählt, daß man von den Ecken im Gebietsrand wegbleibt. Neu ist die Behandlung der Punkte aus tex2html_wrap_inline11327 . Zu jedem solchen Punkt kann das Gebiet tex2html_wrap_inline8189 wie oben beschrieben lokal glattgebogen werden, die tex2html_wrap_inline7801 -Koordinate bleibt ohne Transformation bestehen. Wie man den Transformationsgleichungen (5.55) und (5.56) entnimmt, genügt die glattgebogene Funktion v dann einer Differentialgleichung

  equation6181

mit der Randbedingung tex2html_wrap_inline11335 . Mittels der Vorschrift

equation6191

wird v gespiegelt. Dabei ändern sich die Vorzeichen der Ableitungen tex2html_wrap_inline11339 , tex2html_wrap_inline11341 , tex2html_wrap_inline11343 , tex2html_wrap_inline11345 , tex2html_wrap_inline11347 . Die Koeffizienten der Terme zweiter Ordnung der Differentialgleichung bleiben erhalten, denn die Matrix tex2html_wrap_inline11349 hat wie vorher festgestellt an den Stellen, wo die Ableitungen das Vorzeichen wechseln, eine Null stehen. Das heißt, daß die gespiegelte Funktion der Differentialgleichung (5.62) genügt, deren Koeffizienten zweiter Ordnung stetig sind. Daher lassen sich auch hier lokale tex2html_wrap_inline7823 -Abschätzungen finden, und zwar innere, falls der Ursprungspunkt aus tex2html_wrap_inline11217 stammt, und Randabschätzungen, falls der Punkt aus tex2html_wrap_inline11355 stammt (den ursprünglichen Gebietsecken), wobei dann der verbleibende Rand der (gerade) Dirichletrand ist, denn der Neumannrand wurde soeben durch Spiegelung unschädlich gemacht. Da die Integralnormen der Funktion auf dem Spiegelgebiet gleich den Integralnormen auf dem ursprünglichen Gebiet sind, folgt am Ende mittels des Kompaktheitsarguments die gewünschte tex2html_wrap_inline7823 -Abschätzung auf tex2html_wrap_inline10575 . tex2html_wrap_inline7963

Mit dieser Methode lassen sich auch Schauderabschätzungen durchführen, solange man weiß, daß alle Koeffizienten der Differentialgleichung Hölderstetig sind.

  SATZ6210

BEWEIS. Anstelle der tex2html_wrap_inline7823 -Abschätzungen werden Schauderabschätzungen verwendet, ansonsten wird genauso wie in Satz 5.7 verfahren. Hierbei muß jedoch garantiert werden, daß die Koeffizienten nach der Spiegelung noch Hölderstetig sind. Konkret wird als innere Abschätzung Satz 6.2 oder Korollar 6.3 aus [GT] und als Randabschätzung Korollar 6.7 verwendet werden.

Im Fall n=2 tritt das Problem der Randglattheit nicht auf, da tex2html_wrap_inline8189 ein Intervall ist und keine Spiegelung erforderlich ist. Im Fall n=3 bedienen wir uns eines Resultats aus der Differentialgeometrie. Schreibt man die Transformation des Laplaceoperators beim Glattbiegen mittels der Christoffelsymbole auf, so ergibt sich gemäß [Ham] (Seite 4), daß tex2html_wrap_inline11383 übergeht in

equation6222

tex2html_wrap_inline10435 ist dann als eindimensionale Mannigfaltigkeit lokal eine Kurve, durch die wir eine Geodätische laufen lassen und so unsere Funktion tex2html_wrap_inline11259 erhalten. Zu dieser Geodätischen bilden wir wie in Gleichung (5.54) die Fermikoordinaten. Gemäß einem Resultat aus [GKM] (Seiten 113-114) verschwinden dann die Christoffelsymbole entlang der Geodätischen: tex2html_wrap_inline11389 . Damit fallen die Terme erster Ordnung, die durch den Laplaceoperator entstehen, auf dem Gebietsrand weg. Da die Differentialgleichung nach Voraussetzung ebenfalls keine Terme erster Ordnung in y- bzw. z-Richtung enthält, entstehen hier auch keine Unstetigkeiten. Die Terme zweiter Ordnung wurden bereits vorher als stetig erkannt; für die Hölderstetigkeit gilt das gleiche. Somit erhält man nach der Spiegelung eine Funktion, die einer Differentialgleichung mit hölderstetigen Koeffizienten genügt, so daß die Anwendung der lokalen Schauderabschätzungen möglich ist. Wie 5.7 wird durch ein Kompaktheitsargument die Schauderabschätzung auf dem ganzen ungespiegelten Gebiet ermöglicht.

Im Fall tex2html_wrap_inline7851 verschwinden die Christoffelsymbole i. allg. nicht, so daß mit Unstetigkeiten gerechnet werden muß, die die Durchführung der Schauderabschätzungen verhindern. An dieser Stelle liegt die Lücke der Diplomarbeit, die trotz vieler Bemühungen und Forschungen in verschiedene Richtungen leider nicht geschlossen werden konnte. tex2html_wrap_inline7963


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Marcel Arndt
Tue Mar 28 09:56:06 MSZ 2000